Montag, 8. August 2022

Theismus vs. Atheismus: Was sagt die Wissenschaft?

Wurde das Universum von einem Schöpfergott erschaffen?

Bei dieser Frage scheinen die Fronten klar zu sein: Die Wissenschaftler stellen fest, dass es keinerlei Hinweise auf einen göttlichen Ursprung gibt. Die Frommen hingegen stellen ihre liebgewonnenen mythologischen Vorstellungen über die wissenschaftlichen Fakten. 

Das ist allenfalls die halbe Wahrheit, schreiben die französischen Autoren Michel-Yves Bolloré und Olivier Bonnassies in ihrem jüngsten Buch „Dieu – La science – Les Preuves“ („Gott – Die Wissenschaft – Die Beweise“, Oktober 2021). Zwanzig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben mitgewirkt; das Vorwort stammt von einer Legende der Physik: Robert W. Wilson, Nobelpreisträger und Entdecker der kosmischen Hintergrundstrahlung.

Die Naturwissenschaften unterminieren den religiösen Glauben
Bolloré und Bonnassies geben den Religionskritikern zunächst reht: Die Naturwissenschaften haben tatsächlich den religiösen Glauben untergraben. Wissenschaftliche Erkenntnisse wurden zu Bausteinen eines atheistischen Weltbildes. Die astronomischen Entdeckungen von Copernicus (1543) und Galileo (1610) verbannten den Menschen aus dem Zentrum des Universums. Newton (1687) unterwarf die Natur den Gesetzen der Mechanik. Darwin (1859) degradierte den Menschen zu einem Zufallsprodukt von Mutation und Selektion. Die Sozialwissenschaften zogen nach: Marx (1870) forderte die unterdrückte Arbeiterklasse auf, sich von der alten Ordnung von Kirche und Staat zu befreien. Freud (1896) erklärte Religion für pathologisch und durch unbewusste Impulse motiviert.

Die Mühlen des Wissens mahlen langsam: Es dauerte Jahrhunderte, bis das atheistische Weltbild so weit vorgedrungen war, dass es zumindest in den Naturwissenschaften breite Akzeptanz zu finden schien.

Die Naturwissenschaften unterminieren den atheistischen Glauben
Auch heute mahlen diese Mühlen langsam. Aber inzwischen mahlen sie an der gegenteiligen Erkenntnis: Gott ist zurück. Noch hat es sich nicht herumgesprochen, aber dass der Atheismus sich auf die Naturwissenschaften berufen kann, ist Geschichte.

Es begann mit Einstein: Seine Relativitätstheorie (1905–1915) zeigte, dass Zeit, Raum und Materie nicht ewig, sondern gemeinsam entstanden sind. Muss das Universum dann nicht eine Ursache außerhalb seiner selbst haben?

Urknall: Das Universum hat einen Ausgangspunkt
In die gleiche Richtung wies die – erst später so genannte – Urknalltheorie (ab den 1920er Jahren). Sie kam zu einer Zeit, als es in der Physik als Tabu galt, an der Ewigkeit des Universums zu zweifeln. Der Einwand gegen die Urknalltheorie lautete: Wenn das Universum einen Anfang hatte, dann muss ihn irgendjemand gesetzt haben – womit wir bei der religiösen Vorstellung eines Schöpfergottes wären. Die aber war nicht vorgesehen.

Damit war in den Naturwissenschaften eine bizarre Situation entstanden: Nun waren es nicht mehr die Frommen, die sich aus ideologischen Gründen der Realität verweigerten, sondern diejenigen unter den materialistisch orientierten Wissenschaftlern, deren Atheismus den Charakter einer verbohrten Ideologie angenommen hatte. Die Verfechter der Urknall-Theorie bekamen ihren Widerstand schmerzhaft zu spüren: Obwohl die Urknall-Theorie bereits Jahrzehnte zuvor evident war, wurde sie erst 1964 unter dem Druck unwiderlegbarer empirischer Beweise anerkannt.

Und die Versuche, die Ewigkeit des Universums trotz des Urknalls zu behaupten, gingen weiter: Der Big-Crunch-Theorie zufolge würde sich das Universum nach der aktuellen Expansionsphase irgendwann wieder zusammenziehen, sodass ein zyklischer Ablauf denkbar wurde. Diese Theorie, so Bolloré und Bonnassies, ist seit 1998 widerlegt: Heute wissen wir, dass es im Universum einst nichts geben wird als gleichmäßig verteilte Photonen in einem erkalteten, gigantischen Raum.

Quantenmechanik: Determinismus ist falsch
Auch die Quantenmechanik (1900–1930) scheint mit einem materialistisch-deterministischen Weltbild nur schwer vereinbar. Ihr zufolge ist das eherne Gesetz von Ursache und Wirkung auf der Mikroebene außer Kraft. Elementarteilchen können an zwei Orten gleichzeitig sein, Systeme unabhängig von Raum und Zeit interagieren.

Feinabstimmung: Es ist vernünftig anzunehmen, dass hinter dem Universum ein Plan steckt
Noch fragwürdiger ist die These, nach der das Universum aus ungewollt zufälligen Prozessen entstanden sein soll, angesichts der Feinabstimmung der Naturkonstanten (1960–2020): Die vier Grundkräfte der Physik – Gravitation, Elektromagnetismus, schwache und starke Wechselwirkung – sind äußerst präzise aufeinander abgestimmt. Wäre nur eine dieser Kräfte etwas anders justiert, gäbe es statt unseres Universums entweder nichts oder absolutes Chaos, aber auf keinen Fall Leben.

Allein schon die Beziehung zwischen Elektromagnetismus und Gravitation ist extrem präzise justiert. Wie unwahrscheinlich es wäre, hier zufällig das für das Leben erforderliche Maß zu finden, hat der Mathematiker John Lennox veranschaulicht: Man pflastere eine Fläche von der Größe Russlands mit kleinen Münzen, errichte auf jeder dieser Münzen eine Säule mit weiteren Münzen, deren Höhe der Entfernung zwischen Erde und Mond entspricht, multipliziere das Ganze mit einer Milliarde und greife dann aus dieser gewaltigen Münzmasse blind exakt die Münze heraus, die als einzige rot gefärbt ist. Ob nicht vielleicht doch eine planende Intelligenz die wahrscheinlichere Ursache ist?

Ursprung des Lebens: noch ungeklärt
Weitere Bedrängnis für die Anhänger des Zufalls kommt ausgerechnet aus der Biologie. Angesichts der Evolutionstheorie gilt sie eigentlich als Domäne des Atheismus. Und tatsächlich mag die Vielfalt der Arten mit der Evolutionstheorie erschöpfend erklärt sein. Aber was ist mit dem Ursprung des Lebens? Von seiner Erklärung sind wir, so Bolloré und Bonnassies, viel weiter entfernt, als uns materialistische Biologen glauben machen wollen. Dass uns die Ursuppenexperimente dem Geheimnis wesentlich näher gebracht hätten, ist illusorisch. Der Unterschied zwischen der komplexesten Struktur, die aus diesen Experimenten hervorgegangen ist, und selbst dem einfachsten Einzeller ist so groß wie der zwischen einer Schraube und einem Auto.

Wie unwahrscheinlich es ist, dass sich Leben zufällig aus unbelebter Materie entwickelt haben könnte, hat der Astronom und Mathematiker Fred Hoyle veranschaulicht: Genauso gut könnten wir glauben, dass ein Sturm die Teile eines Ersatzteillagers so durcheinanderwirbeln könnte, dass daraus eine Boeing 747 entsteht.

Aber wer weiß: Vielleicht könnte aus einem Ersatzteillager ja tatsächlich eine Boeing 747 entstehen, wenn nur genug Zeit für zahllose winzige Zwischenschritte bliebe?

Multiversum: Wunschdenken?
Materialisten scheinen das zu glauben. Auch für die Abwehr der Zumutungen von Urknall und Feinabstimmung haben sie sich etwas einfallen lassen: die Multiversum-Theorie. Demnach gibt es nicht nur ein Universum, sondern unendlich viele, deren Parameter rein zufällig irgendwie justiert sind, ohne dass irgendein Plan dahintersteckt. Die schiere Masse der Universen erklärt dann, warum unser Universum zufällig lebensfreundlich justiert ist. So wie es statistisch erklärbar ist, dass jemand im Lotto den Jackpot knacken kann, wenn nur genügend Spieler mitmachen.

Ist also unser Universum dasjenige, das zufällig die rote Münze der Lebensfreundlichkeit gezogen hat, weil unendlich viele andere Universen sie nicht gezogen haben?

Das lässt sich nicht widerlegen. Aber ist das noch Physik? Die Multiversum-Theorie basiert auf reiner Spekulation, sie kann durch keine Experimente falsifiziert werden. Ist sie also nicht eine der Theorien, von denen Wissenschaftstheoretiker sagen, sie seien „so schlecht, dass sie nicht einmal falsch sind“? Ist sie mehr als ein verzweifelter Versuch, die Annahme eines intelligenten Plans hinter unserer Existenz wegzuerklären, koste es was es wolle?

Wer hält sich an Fakten, wer praktiziert Wunschdenken? Ich würde die Frage zumindest offen lassen.

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel, den ich für den Newsletter des Netzwerk Nahtoderfahrung geschrieben habe.

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